Der wissenschaftliche Nachlass von Walter Salmen (1926–2013) – Schenkung an das Zentrum für Populäre Kultur und Musik (Autorin: Dr. Gabriele Busch-Salmen).

Im Frühjahr 2018 nahm ein Vorhaben Gestalt an, das Walter Salmen schon zu seinen Lebzeiten mit den damals an der Universitätsbibliothek Freiburg für Nachlassfragen und Schenkungen Verantwortlichen, vor allem mit Frau Dr. Angela Karasch, eingefädelt hatte. Der Universität, die ihn nach der Emeritierung zum Professor honoris causa ernannt hatte, einen Großteil seines wissenschaftlichen Nachlasses zu überlassen, war ihm ein Herzenswunsch, und fünf Jahre nach seinem Tod traf dieses Anliegen bei Dr. Dr. Michael Fischer, dem Leiter des Zentrums für Populäre Kultur und Musik und Dr. Marcus Schröter, dem Fachreferenten der Universitätsbibliothek, auf ein ungemindertes Interesse. Nicht nur griffen sie mein Angebot auf, sondern stellten sogar in Aussicht, den geschlossenen Bestand in einem für das Zentrum neu hinzugewonnenen Magazinraum unterzubringen. Das war ein glückhaftes Zusammentreffen außergewöhnlicher Voraussetzungen, denn jeder, der mit ähnlichen Fragen zu tun hat, wird mir beipflichten, dass heute eine solche Möglichkeit der Überführung und Öffnung eines umfangreichen Buch- und Materialfundus für die Einsichtnahme und weitere Bearbeitung zu den Ausnahmen gehört. Im Juni 2019 konnte die Überstellung des Nachlasses abgeschlossen werden.

In dem nachfolgenden, den tabellarischen Nachlasskatalog ergänzenden Versuch, die Bibliothek und ihre Schwerpunkte zu beschreiben, möchte ich daher an alle Beteiligten meinen sehr herzlichen Dank für das große Entgegenkommen, die Mithilfe und die finanzielle Unterstützung vorausschicken. Es ist mir als seiner wissenschaftlichen Partnerin und Ehefrau nicht leicht gefallen, mich von einem Teil unserer Bibliothek und den Arbeitsmaterialien Walter Salmens zu trennen und damit von Zeugnissen seines bis zu seinem Tod aktiven Wissenschaftler- und Autorenlebens. In den Buch-, Bild- und Medienmaterialien, die er 2013 hinterließ, spiegeln sich 60 Jahre produktiven Umgehens mit Büchern, Bildzeugnissen und Noten wider und damit seine vielfältigen Interessens-, Arbeits- und Produktionsprozesse. Als ich in den 1970er-Jahren in sein Leben trat, gab es freilich schon eine stattliche Bibliothek, denn für ihn hatte die wissenschaftliche Arbeit bereits als kaum zwanzigjähriger Student im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges in Heidelberg begonnen. Nach Jahren der NS-Bedrängungen und Ängste hatte er sich mit Enthusiasmus und ungebremster Neugierde jede der raren im Handel erreichbaren Buch- oder Notenausgaben angeeignet und damit einen Grund gelegt für einen weit über sein Fach hinausreichenden Literaturfundus.

Was ihn in seinem Studium bewegte und wie er langsam in das Fach Musikwissenschaft hineinwuchs, reflektierte er in seiner Autobiographie, die im Jahr 2011, rechtzeitig zu seinem 85. Geburtstag, erschien. Sie war auf vielfachen Wunsch entstanden und eine oft schmerzhafte Rückschau auf sein langes, facettenreiches Forscherleben. Den Titel nu pin ich worden alde. Begegnungen und Verweigerungen im Leben eines Musikwissenschaftlers hatte er mit Bedacht gewählt. Auch das auf dem Buchumschlag verwendete Foto, das ihn 1945/46 in der kunsthistorischen Bibliothek der Heidelberger Universität zeigt, hatte Mottocharakter, sodass es diesen Ausführungen ebenfalls vorangestellt sei. Während der Untertitel der Autobiographie auf seinen stets unkonventionellen Umgang mit dem Fach Musikwissenschaft verweist, greift das Zitat die 5. Verszeile der 7. Strophe des Tanzliedes Ich spring an disem ringe/ des pesten so ichs kan aus dem Lochamer Liederbuch auf, das ihm besonders nahestand. Nicht nur waren es die Verse, die ihn berührten und die Tatsache, dass mit der kritisch kommentierten Quellenedition seine wissenschaftliche Laufbahn begann. Vielmehr stand ihm immer vor Augen, dass er die Anregung zur Beschäftigung nicht nur mit dieser außergewöhnlichen spätmittelalterlichen Quelle seinem Heidelberger Professor und Mentor, Heinrich Besseler, verdankte, mit dem er bis zu dessen Tod 1969 in fachlicher und freundschaftlicher Verbindung blieb. In seinem ausführlichen Nachruf setzte ihm Walter in der Acta Musicologica ein eindrucksvolles Denkmal und zitierte noch einmal das Credo seines Lehrers, der eingefordert hatte, dass dem idealisierten Interesse an der „autonomen, hohen Kunst“ der Blick „auf die lebensverbundene, umgangsmäßige Musik“ entgegenzusetzen sei. Die Begegnung mit diesem später ins Visier der Aufarbeitung seiner Nazivergangenheit geratenen Musikwissenschaftler hatte jedoch Walters forscherisches Ethos so nachhaltig geprägt, dass er ihm auch und gerade in seiner Autobiographie ausführlich Raum gibt:

Text weiterlesen im » Sonderdruck-Jahrbuch-des-ZPKM-2019 (PDF | 6 MB)